Geschichte des Schulwesens in Krechting 1700 bis 1880
von Heinz-Günther Wessels

Schaut man sich die schulische Situation in Krechting heute an, wo gut dotierte Lehrerinnen und Lehrer nach Universitätsstudium und Praxisausbildung in neuen, geräumigen Gebäuden mit einer Fülle von Lehr- und Lernmitteln die Grundschulkinder in überschaubaren Klassen unterrichten können, so sind die Lebens- und Arbeitsbedingungen ihrer Vorgänger kaum zu begreifen.. Diese waren nicht oder schlecht ausgebildet, mussten oft einen zweiten Beruf ausüben - wie für Rhede nachzuweisen ist als Küster, Weber, Schreiner oder Ziegler-, weil das Gehalt ein Auskommen sonst nicht ermöglicht hätte. Sie wohnten wie fast alle Bewohner in kargen , beengten Verhältnissen und unterrichteten oft über 100 Kinder in scheunenartigen, dunklen und feuchten Gebäuden. An ein eigenes Schulgebäude war zu dieser Zeit überhaupt nicht zu denken. Laut Schatzungsliste von 1749 wohnten auf Insel und Hovesath 48 Familien. Davon waren 16 Weber und 12 Tagelöhner. Es herrschte bittere Armut. Woher also das Geld nehmen für Schule und Schulgeld. Die Entwicklung dieser Schulverhältnisse, wie sie sich aus Akten und der Schulchronik für Krechting nachweisen lässt, soll im folgenden dargestellt werden.
Die ersten Lehrpersonen sind erst ab 1700 verbürgt. Ein eigenes Schulgebäude war nicht vorhanden. Es ist anzunehmen, dass dafür nur ein Raum in einem der Häuser in der Freiheit ( Insel ) zur Verfügung stand. Als erste Lehrer nennt die Chronik um 1700 Heinrich Lansing, der eigentlich Weber war und 1715 Johannes Ebel. Die nächsten Nachrichten über die Schule sind erst wieder für das Jahr 1791 verbürgt. In einem Visitationsbericht der Rheder Pfarrers vom 15.4 1791 heißt es: " In der Freiheit Krechting ist auch eine Nebenschule, welche, wie die Krechtinger vorgeben, vor undenklichen Zeiten gewesen seyn soll und auch nöthig ist, weil die kleinen Kinder, die nicht nach Rhede gehen können, dorthin geschickt werden. Die Schulmeisterin heißt Maria Christina Heßeling, sie ist nicht approbiert ( nur geringe Kenntnisse ), hat aber weder eine Schule noch Gehalt, sondern nur allein das monatliche Schulgeld, das aber von den Bewohnern auch nicht regelmäßig wegen der allseitigen Armuth bezahlt werden kann. Diesen Winter durch haben 54 Kinder die Schule frequentiert. ( Es wurde nur im Winter Unterricht erteilt, da die Kinder im Sommer zur Arbeit im Hause gebraucht wurden; etwa in der Webstube, auf dem Felde oder zum Kühehüten ). Die Kinder, so sie jedesmahl erwachsen sind ad 8 oder 9 Jahre gehen zur Schule nach dem Rhedischen Dorfe".
Um dem Wunsch der Krechtinger Bürger zu entsprechen, endlich ein eigenes Schulgebäude zu haben, legte der Salm-Salmsche Beamte von Raesfeld 1808 einen Finanzierungsplan vor, der die Einwohner nicht zu sehr belastete. So konnte die Gemeinde 1811 das im Jahre 1747 erbaute und der Familie Heckers gehörende Ackerbürgerhaus für 350 klevische Taler erwerben und im Stallteil einen Schulraum einrichten. Der Wohnteil wurde Lehrerwohnung. Die Summe kam zusammen durch den Verkauf von 20 Kirchensitzen, der Silberkette der Schützengesellschaft und Krechtinger Markengründen in der Krommerter Mark.
In diesem Schulhause wurden die Kinder von Krechting und später auch von Büngern bis 1883 unterrichtet. Da das Gebäude zu diesem Zeitpunkt völlig baufällig war, verkaufte man es an den Schreinermeister Wüpping und errichtete am Pleystrang eine neue Schule mit Lehrerwohnung. Aber davon später mehr.
Abb.1 Plan der Schule aus dem Jahre 1837 Zunächst ein regierungsamtliches Schreiben über den Zustand des Gebäudes von 1870: " Das Schulhaus in Krechting ist in einem durchaus ungenügendem Zustande. Äußerlich scheint dasselbe mehr ein altes Ackermann-Gebäude als ein Schulhaus zu sein. Durch eine Scheunenthür tritt man auf eine Diele, links an derselben stehen Kühe an unbedeckten Trögen, über dem Stalle liegen Heu und Stroh. Rechts an der Diele befindet sich eine niedrige Thür, durch welche man in das Schullokal kommt, dieses ist niedrig und überfüllt mit 118 Kindern. Fenster sind in einer Größe des Raumes entsprechend vorhanden. Aber an der Längsseite des Zimmers reicht das Dach des Nachbarn hart bis an die Fenster und Wände des Schulzimmers. Dieses und die Lehrerwohnung sind feucht und deshalb ungesund".
Bevor wir uns mit dem Schulbau am Pleystang beschäftigen, soll hier noch das Einstellungschreiben des Schulamtskandidaten Wilhelm Haselhoff von 1826 eingefügt werden. Es gibt einen interessanten Einblick in die amtlichen Schreiben zu dieser Zeit mit den Anforderungen, die an einen Lehrer gestellt wurden. " Dem Schulamtskandidaten Wilhelm Haselhoff aus Rhede wird die erledigte Lehrerstelle an der Nebenschule in Krechting hierdurch dergestalt übertragen, daß er gehalten seyn soll, nicht allein seiner Königlichen Majestät von Preußen, sondern allen seinen Vorgesetzten Ehrfurcht und Gehorsam zu erzeigen, sein Amt als Lehrer der Jugend fleißig und gewissenhaft nach der vorgeschriebenen Norm zu verwalten, niemals ohne Vorwißen des Pfarrers und ohne drohende Abhaltung den Unterricht auszusetzen, der Gemeinde mit einem gottesfürchtigen und sittlichen Lebenswandel, sowie mit würdigem und sittlichem Betragen vorangehen, überhaupt sich so zu erweisen, wie es einem fleißigen, gesitteten Schulmann anständig ist und gebiert. Dagegen soll derselbe alle mit seinem Amte rechtmäßig verbundenen Einnahmen bestehend aus:

  1. in freier Wohnung,
  2. Schulgeld, für jedes Kind einen Taler Berl. Courant jährlich,
  3. für den Unterricht der 12 ärmsten Kinder aus der Beckmannschen Stiftung 15 Taler, 11 Silbergroschen, 6 Pfennig,
  4. Zulage aus der Gemeindekasse von Krechting 1 Taler, von Büngern 6 Taler, 23 Silbergroschen, auch sonstige Vortheile zu haben und zu genießen haben, nöthigen Falls bei der Bestallung gegen Jedermann geschützt zu werden".

Da ihm freie Wohnung versprochen war, führte Wilhelm Haselhoff mit dem Besitzer des Hauses Krechting einen jahrelangen Rechtsstreit wegen der noch auf dem Hause lastenden Abgaben von jährlich sieben Arbeitstagen und vier Hühnern. Eine Einigung kam nicht zustande. Haselhoff zog 1834 nach Vardingholt. Hier hatte er freies Wohnen in einer neu erbauten Dienstwohnung. Die Krechtinger Bürger konnten sich übrigens erst 1853 von diesen Lasten befreien.
Die Gemeinden Krechting und Büngern bildeten seit 1811 eine Schulsozietät, da der Weg nach Rhede für die Büngerner Kinder, die durch die heutige Mosse über Pleystrang und Aa führte, zu gefährlich und oft unpassierbar war. Zudem reichte die Kinderzahl gerade, um einen Lehrer bezahlen zu können. So meldet 1834 der Lehrer Hövener 112 schulpflichtige Kinder, 56 aus Krechting und 56 aus Büngern. Um 1870 entstand bei den Büngernern der Wunsch nach einer eigenen Schule. Die Regierung unterstützte diesen Wunsch. So kam man überein, in beiden Gemeinden eine einklassige Schule mit Lehrerwohnung zu bauen. Büngern schied aus dem Schulverband aus. Nach zehnjährigen Planungen sollte 1880 mit den Bauten begonnen werden. Zu geringe Finanzmittel und eine große Missernte vereitelte das Büngerner Vorhaben. Büngern trat dem alten Schulverband wieder bei.

Geschichte des Schulwesens in Krechting 1888 bis heute
(am Pleystrang und an der Finkestrasse)


Abb. 2 Schule am Pleystrang Die Krechtinger hatten inzwischen ein Baugelände am Pleystrang von dem Bauern Tebrügge erworben. Nun hieß es umplanen. Das projektierte Klassenzimmer von 9,50 m Länge und 6,50 m Breite wurde jetzt 11,50 m lang und 7,50 m breit. Die Schulbänke wurden um 50 cm verlängert, die Seitengänge fielen weg. So gewann man Platz für 130 statt für 88 Kinder.1883 konnte die Schule bezogen werden. 1888 drängte die Regierung auf Einrichtung einer zweiten Klasse. Die Schülerzahl hatte sich auf 128 erhöht, eine Lehrerin sollte eingestellt werden. Im Obergeschoß der Dienstwohnung wurden zwei Zimmer für die Lehrerin eingebaut. Wegen fehlender Finanzmittel entschloß man sich für den Einbau einer Trennwand im bisherigen Klassenzimmer mit jeweils eigenem Eingang.
Der Wunsch der Büngerner nach einer eigenen Schule erfüllte sich erst 1911.


B. Oenning ( 1925 bis 1955 )
 
A. Wilsmann ( 1926 bis 1959 )

Erst 1925 wurde dann auf der Südseite ein zweiter Klassenraum angebaut. In diesem Jahr trat Lehrer B. Oenning seinen Dienst an, im Jahr darauf kam Lehrerin A. Wilsmann nach Krechting.
Über 35 Jahre genügte die Schule am Pleystrang den Ansprüchen. 1960 zog man um in ein neues dreiklassiges Gebäude mit Lehrerzimmer, Nebenräumen, einem Toilettentrakt und einer Gymnastikhalle auf dem alten Sportplatz an der Finkestraße. Die Schule erhielt den Namen Piusschule.


Abb. 5 Piusschule an der Finkestraße 1960

 

 

 

 



Im August 1959 war die Schule dreiklassig geworden.

Zwei neue Lehrkräfte wurden eingestellt, Hildegard Bisping und Heinz-Günther Wessels. Hans Hüsener wurde Hauptlehrer. Er war 1955 von Krommert nach Krechting versetzt worden.



Abb. 6 Kollegium 1960
Von links: Heinz-Günther Wessels, Hildegard Bisping, Hans Hüsener



Im Zuge der Schulreform in Nordrhein-Westfalen verlor die Schule 1970 für fünf Jahre ihre Selbständigkeit und war eine Dependance der Ludgerusgrundschule in Rhede, um dann 1975 nach Anbau von vier Klassen und Verwaltungsräumen als zweizügige Grundschule für den Südteil von Rhede neu eröffnet zu werden.



Abb. 7 Kollegium 1984

Von links: C. Deelmann, D. Janse, H.G. Wessels, S. Kuhlmann, I. Ossing, R. Hoffjan, H. Kruse, E. Scharpenack, M. Surmund, B. Gantefort

Im Mai 1982 erhielt die Piusschule auf Initiative der Elternpflegschaft eine große Turnhalle. Im Frühjahr 2000 konnte ein neuer Teil mit sechs Klassenräumen und einem großzügigen Verwaltungstrakt in Benutzung genommen werden. Zur Zeit werden 227 Grundschulkinder in 10 Klassen von 14 Lehrkräften unterrichtet. Auch eine Offene Ganztagsschule ist eingerichtet. 38 Kinder werden hier bis 16 Uhr betreut.


Abb. 8 Kollegium 2006
Von links: Chr. van Heek, D. Janse, H. Kruse, G. Homann, C. Deelmann, I. Hungerhoff, R. Bösing, Chr. Ciroth, S. Kuhlmann, D. Haveresch-Brinkmann, P. Ebbing-Zaczek, G. Dörholt-Schwack, S. Uhlenbrock, C. Hankel, E. Scharpenack